Veröffentlicht am 23. Februar 2017 · In Allgemein, Blog

Die Ehrenhalle zwischen Kirche und Rathaus gedenkt jetzt schon der Opfer der beiden Weltkriege – allerdings ohne die Nennung der 906 Namen. Foto: Markus Gehring

 

Die Gedenktafeln sollen im nächsten Jahr zu einem historischen Datum im Rahmen einer Gedenkfeier angebracht werden: genau 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.

„Es wird höchste Zeit für diese Gedenktafeln“, sagt Hermann Hintemann, der Vorsitzende des Heimatvereins. „Bald gibt es keine Zeitzeugen oder Menschen mehr, die die Opfer gekannt haben. Doch die Namen dürfen nicht vergessen werden.“

Politische Dimension

Nicht nur um der Opfer Willen, ergänzt Jürgen Assing. Er sieht auch eine politische Dimension. „Kriege und Gewalt prägen ja auch unsere Gegenwart. Die Namen der Toten mahnen heute, sich für den Frieden und für gutes Miteinander in Europa stark zu machen.“

Jürgen Assing kennt die Namen der der Stadtlohner Kriegsopfer wie kein zweiter. In akribischer und ehrenamtlicher Arbeit hat der 58-Jährige in den vergangenen vier Jahren 1248 Akten angelegt. Und hinter jeder Akte steckt ein menschliches Schicksal: vom jungen Soldaten, der im Kugelhagel stirbt, von der Frau, die im Bombenhagel unter den Trümmern eines Hauses verschüttet wird, von den Kindern, die in den Nachkriegsjahren Munition finden und bei der Explosion getötet werden ….

Datenbank

„Wir wollten ja nicht nur Namen sammeln, sondern möglichst auch viele Informationen und biografische Daten“, sagt Jürgen Assing. Ein Nachschlagewerk für alle Familienforscher der Zukunft. Die Datenbank ist für jedermann auf der Internetseite des Heimatvereins zugänglich.

Waren denn die Namen der Opfer bislang nicht bekannt? „Die meisten schon“, erklärt Stadtarchivar Ulrich Söbbing. In sieben Bauerschaften gibt es ja bereits Ehremäler, die an die gefallenen Soldaten erinnern. Und im Heimatbuch von 1951 werden auch die Namen genannt. Allerdings, so Hermann Hintemann, seien die alten Listen lücken- und fehlerhaft. „Ich habe es ja selbst erlebt, dass Kriegsheimkehrer ihre eigenen Totenzettel vorweisen konnten, weil sie irrtümlich für tot ererklärt worden waren“, so der 73-Jährige, der sich gut an den festlichen Empfang für Hubert Linne, den letzten Kriegsheimkehrer, im Januar 1956 erinnern kann.

Beleuchtbare Plexiglasscheiben

Wie die Tafeln genau aussehen werden und wo genau sie hängen sollen, muss der Heimatverein noch in Gesprächen mit der Stadt und der Kirchengemeinde klären. Bislang gehen die Überlegungen dahin, beleuchtbare Plexiglasscheiben an der Kirchenwand an der Ehrenhalle aufzuhängen.

Die Aufarbeitung der großen Schrecken des 20. Jahrhunderts ist aber damit für den Heimatverein nicht abgeschlossen. Weitere Namenstafeln sollen folgen, so Ulrich Söbbing. Zum Beispiel am Massengrab auf dem Friedhof, wo die 330 Opfer der Bombardierung Stadtlohns begraben liegen. Auch die Namen der Soldaten, die bei der Besetzung in Stadtlohn gefallen sind, der Ausländer und Zwangsarbeiter, sollen genannt werden.

Gedenken an Juden

An die während der NS-Gewaltherrschaft ermordeten 22 Stadtlohner Juden soll langfristig nicht nur das Stolperstein-Projekt, sondern auch eine zentrale Gedenktafel erinnern. Eine weitere Tafel für die zwölf Opfer des Euthanasieprogramms ist ebenfalls in der Überlegung.

Artikel der MZ vom 22.02.2017