Zum 400. Jahrestag wurde am 3. März 2023 im Landhaus Eichenhof, Almsick 43, eine große Ausstellung eröffnet, in der auch das Großdiorama des Stadtlohner Heimatvereins mit rund 15.000 Miniaturfiguren zu sehen ist. Die Ausstellung kann bis zum 28. Oktober 2023 besucht werden. Alle weiteren Infos finden Sie unter: stadtlohn.de/1623
Die Schlacht im Lohner Bruch bei Stadtlohn 1623
Rund 100 Jahre nach der Reformation hat sich im Deutschen Reich ein labiles Gleichgewicht zwischen den Protestanten und den Katholiken herausgebildet. Noch immer um den Bestand ihrer Konfession besorgt, schließen sich die protestantischen Fürsten 1608 zur Union zusammen. Als Antwort gründen die katholischen Landesherren unter Maximilian I. von Bayern schon im folgenden Jahr die Liga. Beide Bündnisse suchen die Unterstützung weiterer europäischer Staaten (England, Frankreich, Niederlande, Spanien). Gleichzeitig sind jedoch alle Fürsten darauf bedacht, ihre landesherrlichen Freiheiten zu wahren und die Macht des habsburgischen Kaiserhauses zu begrenzen.
1618 kommt es in der Frage der Besetzung des Königreichs Böhmen zum Konflikt. Die Thronbesteigung durch den Habsburger Erzherzog Ferdinand (seit 1619 Kaiser Ferdinand II.) und die Verletzung der durch Rudolf II. verliehenen Privilegien führt zu Aufständen der mehrheitlich protestantischen Stände und zum Prager Fenstersturz der kaiserlichen Räte.
Die aufständischen Böhmen wählen den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum neuen König. Während dieser von der Union im Stich gelassen wird, kann Ferdinand II. auf umfangreiche Hilfe vom Papst, Spanien, dem lutherischen Kursachsen und einem von Bayern aufgestellten Heer der Liga unter General Tilly bauen. In Brabant in den spanischen Niederlanden geboren, erhielt Tilly seine Ausbildung im Jesuitenkolleg in Köln und lernte anschließend das Soldatenhandwerk von der Pike auf. Über Jahrzehnte bewährte er sich im Dienste des Kaisers und des Herzogs von Bayern und wurde 1605 zum Feldmarschall ernannt. Tilly gilt als streng und entschlossen. Schon Zeitgenossen bescheinigen ihm jedoch, sich um die Disziplin seiner Truppen nach Möglichkeit zu bemühen. Beim Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wird dem bereits 59jährigen der Oberbefehl über das Heer der Liga übertragen. In der Schlacht am Weißen Berg 1620 schlägt er Friedrich V. von der Pfalz, den „Winterkönig“, vernichtend. Die Böhmischen Rebellen werden hingerichtet und das Land gewaltsam rekatholisiert.
Der Krieg findet in der Pfalz seine Fortsetzung, wo die Söldnerführer Ernst von Mansfeld und Markgraf Georg Friederich von Baden-Durlach sich für die Sache Friedrichs V. einsetzen. Der Markgraf wird jedoch von den Spaniern und Tilly bei Wimpfen (6. Mai 1622) besiegt.
In Christian von Braunschweig erhält der Winterkönig einen weiteren Mitstreiter. Christian wird 1599 als dritter Sohn des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel geboren. Bereits mit 16 Jahren wird er zum protestantischen Administrator (Regenten) des Bistums Halberstadt gewählt, doch gehört seine Neigung nach seinen eigenen Worten dem Kriegsdienst. In den Nieder¬landen erhält er unter Moritz von Oranien 1619/20 als Ritt¬meister eine militärische Ausbildung.
Mit den seit 1621 von ihm angeworbenen Truppen setzt sich Christian bedingungslos für die protestantische Sache ein. Im März 1621 begegnet er in Wolfenbüttel seiner Cousine Elisabeth von Böhmen, der Frau des „Winterkönigs“. Er entbrennt in schwärmerische Verehrung, heftet ihren Handschuh an seinen Helm und läßt auf die Fahnen seiner Kompanien die Devise „Alles für Gott und für sie“ anbringen.
Christians militärische Aktionen sind begleitet von Raub, Mord, Plünderungen und Vergewaltigungen. Darin unter¬scheidet er sich wenig von anderen Truppenführern. Seine zahl-reichen Drohbriefe, lästerlichen Redensarten, sein hochtra¬bender Ton und seine Unberechenbarkeit führen aber dazu, daß ihm schon bald ein Ruf des Schreckens vorauseilt. Seit 1622 wird ihm der Beiname „der Tolle“ (im Sinne von ausgelas¬sen, tollkühn) beigelegt, den er auch selbst benutzt. Als der Beiname später beginnt, eine negative Bedeutung zu bekommen (verwirrt, töricht), lehnt er ihn ab.
Im Herbst 1622 startet er den ersten Versuch, mit seinen Truppen in die Pfalz vorzudringen , wird jedoch bei Amöneburg durch den Grafen von Anholt gestoppt. Vom 30. Dezember bis 20. Mai 1622 schlägt er sein Winterquartier im Hochstift Paderborn auf, erobert Soest, Lippstadt, Paderborn und weitere kleinere Städte und plündert das Fürstbistum rücksichtslos aus. Auf seinem zweiten Marsch nach Süden trifft er am 20. Juni 1622 beim Übergang über den Main in der Nähe von Höchst auf Tilly. In der Schlacht verliert er einen bedeutenden Teil seiner Armee, kann sich mit den Resten jedoch zum Grafen von Mansfeld durchschlagen.
Da Friedrich der V. seine Sache für vorläufig verloren hält, entläßt er beide Truppenführer. Auf der Suche nach neuen Aufgaben begeben sie sich in holländische Dienste. Bei Fleurus durchbrechen sie am 29. August 1622 unter großen Verlusten die spanischen Linien und erreichen die Aufhebung der Belagerung von Bergen-up-Zoom. Christian erhält bei der Schlacht eine Schußverletzung am linken Arm. Die Wunde entzündet sich, so daß schließlich der Unterarm amputiert werden muß. Die Operation findet im Angesicht der Armee bei Pauken- und Trompetenschall statt. Der Unterarm wird durch eine kunstvolle Prothese aus Silber ersetzt.
Anschließend nehmen beide erneut den Kampf gegen den Kaiser auf. Mansfeld bricht am 1. November 1622 in das Münsterland ein und zieht nach Ostfriesland. Im Januar 1623 folgt ihm Christian, bevor er im folgenden Monat in den Niedersächsischen Kreis abrückt. Dort wirbt er neue Truppen an und tritt für drei Monate in den Dienst des Kreises und seines Bruder Friedrich Ulrich, des regierenden Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Im Juli 1623 verliert Christian die Unterstützung der niedersächsische Fürsten. Ein Amnestieangebot des Kaisers lehnt er ab. Tilly hat seine Truppen inzwischen bis an die Grenzen des Herzogtums Braunschweig heran geführt und beobachtet jede Bewegung Christians, bereit, zuzuschlagen. Von Tilly bedrängt, zieht Christian am 21. Juli 1623 nach Westen, um sich mit Mansfeld zu vereinigen und erneut für die Niederlande zu kämpfen. Bei Bodenwerder überschreitet er mittels einer Schiffsbrücke die Weser. In Haus Iburg bei Osnabrück wartet er drei Tage auf Nachricht von Mansfeld. Zu spät erfährt er, wie dicht Tilly, der die Weser bei Höxter überschritten hat, ihm auf den Fersen ist. Mit mehrtägigen Gewaltmärschen versucht er Anfang August, sich in die Niederlande abzusetzen.
Am Abend des 5. August 1623 treffen westlich von Burgsteinfurt die Nachhut Christians von Braunschweig und die Armeespitze Tillys erstmals aufeinander. Kaiserliche Kroaten unter dem Obristen Avandagno greifen den Feind an, werden aber von dessen Reiterei bis nach Burgsteinfurt zurückgetrieben. Dort erhalten sie Unterstützung von 500 Musketieren und sind nunmehr in der Lage Christians Reiter abzuweisen. Die Dunkelheit trennt beide Armeen. Tilly verliert etwa 12 Soldaten, darunter einen Rittmeister. Der Markgraf von Grana erhält einen Durchschuß durch den Arm.
Tilly schlägt unweit von Burgsteinfurt im freien Feld ein Lager auf. Die Armee des Braunschweigers kampiert in einem Abstand von etwa 15 km im sogenannten Strönfeld zwischen Metelen, Heek und Schöppingen.
Christians Plan sieht vor, nach einer kurzen Rast schon um 23 Uhr mit dem Abmarsch des Trosses zu beginnen. Diesem soll um Mitternacht die Artillerie und zwei Stunden später das gesamte Heer folgen, um so noch während der Dunkelheit den Abstand zu seinen Verfolgern zu vergrößern. Am folgenden Tag hofft er, die niederländische Festung Bredevoort zwischen Winterswijk und Aalten zu erreichen, wo er in Sicherheit ist. Als er um 3 Uhr morgens aufwacht, liegen seine Obristen noch in ihren Betten. Die Erschöpfung der Soldaten aber auch mangelnde Disziplin sind Ursache dafür, daß man seine Befehle nicht befolgte. Mit äußerster Eile wird nun zum Aufbruch gedrängt, doch erst gegen 8 Uhr setzt sich auch die Nachhut in Bewegung.
Tillys Armee ist schon nach einer kurzen Pause weitergezogen und hat am frühen Morgen den ersten Kontakt zur feindlichen Nachhut. Dennoch sind die Bedingungen für Christians Rückzug nicht ungünstig. Mehrere Flußübergänge über die Vechte, Dinkel, Ahauser Aa und Berkel sind zu überwinden. Die Kirchspiele des Westmünsterlandes sind zudem von Landwehren umgeben, kilometerlangen, mit dichten Hecken bewachsenen Wall- und Grabenanlagen, die nur an wenigen Stellen passiert werden können. Hier bestehen gute Möglichkeiten, die Verfolger mit relativ geringen Kräften aufzuhalten.
Den Übergang über die Vechte kann Tilly noch ohne Widerstand passieren, an der Dinkel kommt es dann zu einem ersten Zusammentreffen mit der braunschweigischen Reiterei unter dem Grafen Styrum. Da Tilly Nienborg nach eigenen Aussagen rechts liegen läßt, muß dieses Scharmützel sich an der Dinkelbrücke bei Heek ereignet haben. Trotz eines Befehls Christians, sich nicht um jeden Preis in ein Gefecht einzulassen, bleibt Styrum so lange zurück, daß er in arge Bedrängnis gerät. Ihm werden 500 Musketiere zu Hilfe geschickt, um ihm den Rückzug hinter den nächsten Engpaß zu ermöglichen. Dieser Paß liegt nördlich von Ahaus im Bereich des Übergangs über die Aa und einer dort noch heut erkennbaren sehr starken Landwehr. Hinter diesem Paß lagert Christian fast 3 Stunden mit dem Hauptteil seiner Armee und wartet auf den Grafen. Der vorausgeschickte Troß versucht währenddessen, sich einen Vorsprung zu verschaffen.
Bei seinem Abmarsch überträgt Christian dem erfahrenen Grafen von Kniphausen den Befehl, den Paß mit 2000 Musketieren und 2 Kanonen zu halten, doch gelingt Tilly schon nach kurzer Zeit der Durchbruch.
Westlich von Ahaus zwischen den Dörfern Wessum und Wüllen bietet sich in der Nähe des Hauses Stevening eine weitere Gelegenheit, die kaiserlichen Truppen aufzuhalten. Kniphausen meldet sich freiwillig, um mit einigen frischen Einheiten, unterstützt von zwei Regimentern Reiterei, die erlittene Schlappe auszubügeln. Er erleidet dabei einen weiteren Mißerfolg, obwohl, wie nachträglich behauptet wurde, der Paß mit der Hälfte der Männer hätte verteidigt werden können.
Weiter um Ahaus herum marschierend, erreicht Christian schließlich den hoch gelegenen Quantwicker Esch, wo er im Bereich der Windmühle seine Artillerie vorteilhaft postiert. In der Tat gelingt es ihm, die Armee der Liga für einen Augenblick zum Stehen zu bringen, bevor Tillys Geschütze mit einigen gezielte Schüsse die braunschweigischen Kanonen zum Schweigen bringen.
Fast wäre es schon hier zur Schlacht gekommen, doch zieht Christian seine Truppen im letzten Moment entlang des Düwing Dyk Richtung Stadtlohn zurück. Auf halbem Wege zwischen Wüllen und Stadtlohn versperrt die Wüllener Landwehr die alte Landstraße. Hier muß Tilly um jeden Preis gestoppt werden, wenn man eine Schlacht vermeiden will, da der anschließende Übergang über die Berkel im Bereich der Kalterbrücke besonders problematisch und zeitraubend ist. Die Mühlenbrücke ist vor allem für den Troß nur wenig geeignet, da anschließend das befestigte und eng bebaute Stadtlohn zu passieren ist. Wiederum erhält der Obrist Kniphausen den Befehl, diesen Engpaß zu verteidigen, wieder ist er nicht in der Lage, diesen Befehl auszuführen.
In aller Eile ist Christian von Braunschweig gegen 15 Uhr gezwungen, seine sich im Marsch befindliche Armee zur Schlacht aufzustellen. Das Gelände selbst stellt sich für ihn relativ vorteilhaft da. Seine linke Flanke wird vom Sumpfgebiet des Lohner Bruchs, die rechte vom den ausgedehnten Wäldern des Liesners und dem tief in den Boden eingeschnittenen Bachlauf der Lepping Welle gedeckt. Die Augustsonne hat den Heideboden weitgehend getrocknet, so daß er gut passierbar ist. Nachteilig ist jedoch die im Rücken des Heeres fließende Berkel, die einen eventuell notwendigen Rückzug behindert und diesen notwendigerweise zur Katastrophe werden lassen muß.
Christian selbst kommandiert das Zentrum seines Heeres gemeinsam mit den Herzögen von Sachsen-Weimar und Sachsen-Altenburg, der linke Flügel steht unter dem Kommando des Generalfeldzeugmeisters Graf Isenburg, der rechte unter dem Befehl des Freiherrn von Kniphausen. Die Reiterei ist auf beide Flügel verteilt, die Artillerie vor allem auf der rechten Seite konzentriert.
Tilly wartet nicht ab, bis die letzten seiner Einheiten auf dem Schlachtfeld erscheinen, sondern läßt die Vorhut unter dem Befehl des Grafen von Anholt mit den Infanterieregimentern der Obristen Schmidt und Mortaigne sowie den Reiterregimentern des Herzogs Adolf von Holstein und des Grafen von Herbersdorf unverzüglich angreifen. Die Herbersdorfschen Reiter werden in Abwesenheit des Obristen von Tillys Neffen Werner befehligt. Unterstützt wird die Angriffsspitze von den besten Musketieren, die aus allen Regimentern zusammengezogen werden. Hinter ihr rücken die Regimenter der Obristen von Schönberg, Graf von Fürstenberg, Herzog zu Sachsen-Lauenburg, Dietrich Otmar von Erwitte, Winandt von Eynatten, Thimon von Lintelo und Konstantin von Nivenheim nach.
Der Zusammenprall der Armeen ist äußerst heftig. Rund 15000 Reiter und über 40000 Infanteristen sind insgesamt an den Kämpfen beteiligt. Der Westwind weht den Kanonen- und Musketenqualm zusammen mit dem aufgewirbelten Staub hunderter Wagen Tillys Truppen entgegen. Er ist so hinderlich, daß man die Hand vor Augen kaum sehen kann.
Rund zwei Stunden tobt der Kampf unentschieden hin und her. Dann beginnt der rechte Flügel der braunschweigischen Armee zu wanken. Die vielfach frisch angeworbenen und unerfahrenen Soldaten sind „des Hagelgeschosses und scharfen Platzens nicht gewohnt“, wie ein historischer Bericht mitteilt. Die Veteranen Tillys, durch die tagelange Verfolgung siegessicher gestimmt, rücken unaufhaltsam vor. Von Christian befohlene Gegenangriffe an beiden Flügeln bleiben erfolglos. Als der Graf Anholt die feindlichen Linien durchbricht, verstärken sich die Auflösungserscheinungen und führen schließlich zu einer allgemeinen Flucht. Vergeblich reiten Herzog Christian und seine Offiziere mit gezogenen Hüten die Reihen ihrer Soldaten ab und versuchen sie zum Stehen zu bewegen.
Da der Rückzug durch die verstopften Brücken und die sumpfige Berkelniederung behindert wird, geht der Kampf in ein allgemeines Gemetzel über. „Wie es aber zum metzgen kommen, ist unglaublich zu sagen, wie mancher in Graß gebissen, welches ein jämmerlich Spectacul gewesen, darin die Crabaten sich meisterlich brauchen lassen“ (Lundorp: Österreichischer Lorbeerkranz. 1627). Erst als Tilly durch Trompetensignale die Einstellung der Kämpfe befiehlt, werden die auf den Knien um Quartier bittenden Soldaten gefangen genommen.
Nach Tillys eigenen Angaben sind von der Armee des Braunschweigers im Kampf und auf der Flucht 6000 Mann ums Leben gekommen. Andere Schätzungen sprechen von 4000-8000 Toten. Die Zahl der eigenen Verluste gibt Tilly nicht an. Hier werden in anderen Quellen 200 bis 1700 Mann gemeldet.
Etwa 4000 Soldaten aus der Armee Christians geraten in Gefangenschaft, darunter fast die gesamte Führungsspitze mit den Herzögen Wilhelm von Sachsen-Weimar und Friedrich von Sachsen-Altenburg, den Grafen von Isenburg, von Löwenstein, von Schlick, von Witgenstein und Rheingraf Hans Philipp.
Dreihundert Artilleriewagen mit allen 16 Geschützen und sämtliche Versorgungswagen, darunter zwei mit Silber beladen, werden erbeutet.
Herzog Christian von Braunschweig entkommt ebenso wie der Obrist von Kniphausen nach Bredevoort. Nach und nach sammeln sich dort ca. 6000 weitere Soldaten. Der Rest ist in alle Richtungen zerstreut.