Der Siedlungsraum „Lohn“
Das Westmünsterland wird in Nord-Süd-Richtung von Rheine bis Borken von einem flachen Höhenrücken durchzogen, der aus Kalksteinen und Mergel der Ober- und Unterkreide (vor 145 bis 65 Millionen Jahren) besteht und geologisch die westliche Randstufe der westfälischen Kreidemulde bildet. Mit 50 bis 60 Metern über dem Meeresspiegel erhebt er sich meist nur geringfügig über das umliegende Gelände. In einer Landschaft, die überwiegend von Bodenfeuchtigkeit und Staunässe geprägt ist, bot er schon in frühgeschichtlicher Zeit gute Voraussetzungen für den Ackerbau und diente gleichzeitig als natürliches Verkehrsband. An mehreren Stellen wird die Schwelle von Flussläufen durchbrochen. An diesen Schnittpunkten waren die Bedingungen für eine Entwicklung von Siedlungsschwerpunkten besonders gut. An der Durchbruchstelle der Berkel wurden im Bereich des Hilgenberges zahlreiche Urnen aus der jüngeren Bronze- und Eisenzeit (seit ca. 1700 v. Chr.) entdeckt. Im Bereich des Berkelhookes bewiesen archäologische Ausgrabungen die Existenz eines Siedlungsplatzes aus der römischen Eisenzeit (um Christi Geburt).
Zwischen der Berkel und dem Bachlauf der Schlinge im Süden entstand seit dem Frühmittelalter auf einer Länge von ca. acht Kilometern und einer Breite von rund 500 bis 1 000 Metern der Lohner Esch, die größte zusammenhängende Ackerflur des westlichen Münsterlandes. Sie war von einem Kranz von Altbauernhöfen umgeben, der Bauerschaft „Lohn“.
Der Name „Lohn“ (1085 „Laon“) des Siedlungsraumes ist abgeleitet von „Loh, Loe“ undbedeutet „lichter Wald“, „Laubhain“. Er geht auf die frühe Phase der Siedlungsgeschichte zurück, als der bewaldete Esch noch nicht ackerwirtschaftlich, sondern als Weide für das Vieh genutzt wurde. In Zusammensetzungen wie „Ammeloe“, „Hörsteloe“, „Hengelo“, „Boekelo“ taucht er in einer Vielzahl von Variationen auf. Im vorliegenden Fall scheint eine weitere Bestimmung nicht nötig gewesen zu sein, da die Größe und Bedeutung der Siedlung diese zum „Lohn“ schlechthin machte. Nördlich der Berkel entstanden an kleineren Eschfluren die durch Heideflächen voneinander getrennten Bauerschaften Hengeler, Wendfeld, Almsick, Estern und Büren.
Amtshof Lohn
Im Zentrum dieser Siedlungslandschaft lag am Nordrand des Lohner Esches in der Nähe der Berkel der münsterische Amtshof zu Lohn, der Mittelpunkt eines umfangreichen bischöflichen Hofverbandes (Villikation). Im Jahre 1137 wird er erstmals urkundlich erwähnt, als Bischof Werner (1132-1151) sein Seelengedächtnis mit Einkünften u. a. aus „Loen“ stiftete, doch kann angenommen werden, dass er zur Gründungsausstattung des Bistums Münster gehörte. Die Villikation umfasste nach einem im Jahre 1586 angelegten Verzeichnis 81 Höfe. Zusammen mit weiteren nicht zweifelsfrei zuzuordnenden Höfen ergibt sich sogar eine Zahl von bis zu 121 Gütern. Einige dieser Bauernhöfe waren über die Schultenhöfe Pröbsting in Südlohn, Ramsdorf und Holthausen in Velen-Ramsdorf und Kernebeck in Vreden, die sich als „Beyhoff des Hoffs zu Lohn“ bezeichneten, diesem zugeordnet. Die Villikation des Hofes zu Lohn war damit weit größer als die anderer bischöflicher Hofverbände und reichte im Süden bis nach Reken, Raesfeld und Bocholt. In einer Urkunde aus dem Jahre 1217 wird der Hof zu Lohn denn auch in einer Aufzählung als erster von acht bischöflichen Höfen genannt.
Die Lage des Hofgebäudes des Hofes zu Lohn lässt sich nicht mehr exakt ermitteln. Schon 1586 konnte sie nur noch vage beschrieben werden: „Die Hauß- und Hoffstede, dair etwan das Hauß und Hoff zu Loen gelegen, mit seine Umbkreis, so itz zur Koeweiden licht“. Bei diesen Kuhweiden handelt es sich um die im Urkataster mit „Hofflohn“ bezeichnete Fläche im Bereich der heutigen Straße Meskesweide, so dass die Hofstelle möglicherweise im Bereich der so genannten „Butenstadt“ zu suchen ist. Hier im Bereich der Marienschule gemachte Siedlungsfunde aus der spätkarolingischen Zeit bis ins 11. Jahrhundert weisen ebenfalls in diese Richtung. Weiter gehörten zum Hof zu Lohn im 16. Jahrhundert 82 Grundstücke im Lohner Esch, auf dem Dufkamp und im Bereich des Hilgenberges.
Lohner Hofrecht
Der Amtshof zu Lohn besaß ein bedeutendes Hofgericht mit einem Hofrecht, welches das Verhältnis der Hofhörigen zum Grundherrn, dem Bischof von Münster, aber auch der Bauern untereinander regelte. Von anderen Höfen wurde das Hofrecht ganz oder teilweise übernommen. Das Hofgericht fungierte für alle weiteren bischöflichen münsterischen Höfe als Berufungsinstanz und wurde in dieser Funktion sogar von anderen Hofgerichten wie z. B. der Abtei und des Kapitels zu Vreden angerufen. Zweimal im Jahr hatten sich alle zum Hof zu Lohn gehörigen Bauern auf den so genannten Hoftagen in Stadtlohn einzufinden, wo über strittige Fragen z. B. bei Heiraten oder in Erbfällen, über Gebühren und Abgaben oder den Entzug des Hofrechtes Gericht gehalten wurde. Der Schulte des Hofes zu Lohn (später der Stadtrichter) führte bei diesen Gelegenheiten den Vorsitz, während die drei oder vier Tegeder auf der Grundlage der alten Gewohnheit das Urteil ermittelten. Im Jahre 1811 tagte das Lohner Hofgericht zum letzten Mal.
Pfarrei St. Otger
Auf dem Grund des Hofes zu Lohn entstand die Pfarrkirche St. Otger, deren Geschichte bis in die Zeit des ersten Bischofs Liudger zurückgeführt wird. Die Pfarrei St. Otger bildete ein eigenes Archidiakonat und galt neben den Kirchen in Beckum, Billerbeck und Warendorf als eine der vier bischöflichen Kaplaneien. Die Einrichtung von bischöflichen Kaplaneien soll bis in die Entstehungszeit des Bistums Münster im Jahre 805 zurückreichen und zu den frühen Organisationsmaßnahmen Liudgers gehören. Die bischöflichen Kapläne unterstützten den Bischof in der Bistumsverwaltung, im Urkundenwesen und im diplomatischen Dienst. Außerdem gehörten zu ihren Aufgaben das gemeinsame Gebet mit dem Bischof und die Assistenz bei feierlichen Gottesdiensten. Aus ihrem Gremium entwickelte sich im Verlauf der folgenden Jahrzehnte das Domkapitel. Da die bischöflichen Kapläne in Münster am Dom residierten, ließen sie sich in ihren Pfarreien durch so genannte Plebane (Hilfsseelsorger) vertreten. Trotzdem galten sie bis 1803 als „verus pastor“ (wahrer Pastor) ihrer Pfarrgemeinde.
Im Zuge eines weiteren Ausbaus des Bistums Münster wurden um 985 Gescher und 1231 Südlohn von der Pfarre Lohn abgetrennt. Seitdem wurde der Ort zur Unterscheidung von der südlichen Tochterpfarre in den Urkunden überwiegend als „Nordlohn“ bezeichnet.
Hünenburg
In die Zeit der Christianisierung und Pfarrgründung reicht eine Befestigungsanlage zurück, die etwa drei Kilometer nordwestlich von Stadtlohn liegt. Hier befindet sich südlich der Berkel und östlich eines derselben zufließenden Baches die Hünenburg, eine Ringwallanlage mit einem kleinen, rechteckigen Kernwerk von 120 Meter x 180 Meter (1,7 Hektar), das von einem größeren, quadratischen Außenwerk von etwa 300 Meter x 350 Meter (8,5 Hektar) umgeben ist. Im Jahre 1950 wurden im Bereich eines im Osten des Kernwerkes gelegenen Zangentores Grabungen vorgenommen. Die dabei entdeckten Topfscherben stammten ausnahmslos aus der Zeit um 800 n. Chr. und stellen die Anlage somit in den Zusammenhang der fränkisch-sächsischen Auseinandersetzungen. Aufgrund ihrer Lage hatte die Hünenburg eine Sperrfunktion in Hinblick auf die bedeutende, von Utrecht über Deventer, Groenlo, Vreden, Stadtlohn, nach Coesfeld und Münster führende Straße, die an dieser Stelle einen Pass durchquert, der im Norden vom Ödland des Vredener Feldes und im Süden vom Wenningfeld und Master Feld begrenzt wird. Bei der Hünenburg kann es sich um den Sitz eines lokalen Adligen gehandelt haben, die der Bevölkerung in Notzeiten Zuflucht und Schutz bot. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass sie als Zwingburg Karls des Großen gegenüber dem sächsischen Gaumittelpunkt Vreden angelegt wurde. Die Hünenburg hatte jedoch keinen Einfluss auf die spätere Entwicklung der Siedlung Lohn. Sie kann jedoch vorübergehend von den Grafen von Lohn genutzt worden sein, die ihren Namen vom Siedlungsraum übernahmen und 1085 zum ersten Mal urkundlich belegt sind. Insbesondere eine innerhalb der Hünenburg erkennbare jüngere Turmhügelburg („Motte“) könnte darauf hinweisen.
Grafen von Lohn
Die Grafen von Lohn verfügten in den heutigen östlichen Niederlanden und im Westmünsterland über umfangreichen Eigenbesitz. Anfang des 12. Jahrhunderts ging ihr Bestreben dahin, im Grenzbereich zwischen den Bistümern Münster und Utrecht ein eigenes Territorium aufzubauen. Diese Politik führte zu Konflikten mit den Bischöfen von Münster, von denen sie einige Lehen und Ämter übertragen bekommen hatten. Ein Versuch, die Abhängigkeit von Münster zu lösen, misslang. In einem Vergleich aus dem Jahre 1152 wurden die Rechte der Grafen von Lohn durch den Bischof Friedrich II. (1151-1168) genauer bezeichnet. So trug Gottschalk von Lohn das Amt eines Gografen („regimen populare“) über die Kirchspiele Lohn, Winterswijk, Aalten, Varsseveld, Zelhem und Hengelo wie die gewöhnlichen Grafen vom Bischof von Münster zu Lehen. Sein Anspruch, die Gerichtsbarkeit aus eigenen Grafschaftsrechten zu besitzen, wurde zurückgewiesen. Als Verwalter (Vogt oder Schulte) des Hofes zu Lohn hatte er Abgaben für die Tafel des Bischofs für eigene Zwecke missbraucht. Die Nutzung des bischöflichen Waldgebietes „Liesner“, ein weiteres ihrer Lehen, wurde in der Urkunde genau beschrieben. So durften die Grafen fortan jedes Jahr zwei Hirsche, zwei Hirschkühe, einen Eber und eine Wildsau erlegen.
Im 13. Jahrhundert suchten die Grafen von Lohn in ihren Auseinandersetzungen mit den Bischöfen von Münster Rückhalt bei den Grafen von Geldern und dem Erzbischof von Köln. In den Jahren 1246 und 1255 übertrugen sie den Grafen von Geldern ihren Anteil an der 1238 zur Hälfte geerbten Burg Bredevoort sowie ihre Grafenrechte über vier Pfarreien, die sie als Lehen zurückerhielten. 1277 überfiel Hermann II. von Lohn den Grafen Engelbert von der Mark, wobei er wohl im Interesse des Erzbischofs von Köln handelte. Der Graf von der Mark verstarb wenige Tage darauf in der Burg Bredevoort. Dessen Sohn Everhard von der Mark zerstörte die Burg und zwang Hermann II. zu schweren Sühneleistungen. So hatte er mit 30 Rittern und Knappen vor Eberhard von der Mark zu erscheinen und mit entblößtem Haupt und Büßergewand fußfällig um Gnade und Verzeihung zu bitten. Er musste ein Seelengedächtnis für den Verstorbenen stiften, seine Güter vom Grafen zum Lehen nehmen und eine Pilgerfahrt von zwei Jahren ins Heilige Land oder ins Baltikum unternehmen. Die Burg Bredevoort durfte er nicht wieder aufbauen.
Burg Lohn
In der Urkunde von 1152 wird erstmals eine Burg („munitio“) erwähnt, die von Bischof Werner (1132-1151) in Lohn errichtet worden war. Nach dessen Tod hatte Gottschalk von Lohn die Burg für sich beansprucht, doch wurde er von Bischof Friedrich (1152-68) gezwungen, öffentlich zu bekennen, dass er sie sich unrechtmäßigerweise angeeignet habe. Die Verwaltung der Burg wurde ihm jedoch belassen.
Die Burg Lohn lag im Norden des späteren Stadtgebietes, zwischen der Pfarrkirche St. Otger und der Berkel. Eine Sanddüne im Überschwemmungsgebiet des Flusses bot eine günstige Voraussetzung zur Anlage einer Befestigung, die zwar keinen großen Umfang gehabt haben kann, aber bereits in Stein ausgeführt war. Nach archäologischen Beobachtungen reichte die Gräfte bis etwa zur Mitte der heute an Mühlen- und Dufkampstraße liegenden Häuser. Ein Stichkanal, das so genannte Fischwasser, verband sie mit der Berkel. Außerdem war sie durch einen östlich der Kirche verlaufenden Graben mit der Gräfte der Pastorat verbunden, die ihrerseits durch einen von Süden zufließenden Bach, die Garverts Märe, gespeist wurde. Weitere archäologische Befunde lassen vermuten, dass Burg, Kirche mit Kirchhof und Pastorat möglicherweise eine Dreiinselanlage bildeten.
Bereits 1193 soll die Burg Lohn von Bischof Hermann II. (1173-1203) zerstört worden sein. Wenngleich darüber sichere urkundliche Belege fehlen, scheint die Überlieferung durch die münsterischen Chroniken („Und he wan Lon und verstuerde dat“) zuzutreffen, denn 1238 stellt Hermann von Lohn in einem Vertrag mit Ludolf von Steinfurt die Steine der früheren Burg Lohn mit Ausnahme des Turmes („lapidum castri quondam in Lon, exceptis lapidibus turris“) zur Befestigung der den beiden gemeinschaftlich als Erbe zugefallenen Burg Bredevoort zur Verfügung. In beschränktem Umfang wird die Burg weiter bestanden haben, denn noch 1305 beschwerte sich Graf Everhard von der Mark darüber, dass seine Leute gewaltsam von dem münsterischen Bischof Otto (1301-1308) aus den Burgen Lohn und Bredevoort vertrieben und diese Hermann von Lohn zurückgegeben wurden. Die Burgen waren erst zwei Jahre zuvor von beiden Fürsten gemeinsam erobert worden. Beim Verkauf der Herrschaft Lohn nach dem Aussterben des Grafengeschlechtes im Jahre 1316 durch die Erben Johan und Otto von Ahaus wird nur die Burg Bredevoort erwähnt. 1318 heißt es letztmalig in einer Urkunde „in domineis et castris Loen et Bredervort“ (in den Herrschaften und Burgen Lohn und Bredevoort).
Der Burghügel hat sich bis zur Gegenwart erhalten, doch kam es im Laufe der Zeit immer wieder zu Abgrabungen, die seinen Umfang reduzierten. Vom 17. bis 19. Jahrhundert befand sich auf dem Grundstück, das stets im Besitz des Bischofs von Münster blieb, ein Töpferofen, dessen Abwurf sich am Rande des Hügels wiederfindet. In den 1920er Jahren wurde das Gelände mit historisierenden Kulissen versehen und als Terrasse eines Gartenrestaurants genutzt. Heute dient es als Spielplatz eines Kindergartens.
Lohn – Nordlohn – Stadtlohn
Sowohl die verkehrsgünstige Lage an den Wegen von Münster über Coesfeld zur IJssel sowie vom Niederrhein über Borken und Ahaus nach Norden, als auch die herausragende Bedeutung des Hofes zu Lohn als landwirtschaftlicher Verwaltungsmittelpunkt lassen annehmen, dass sich schon früh ein Markt etablierte. Der Marktplatz entstand am Schnittpunkt der späteren Mühlen-, Dufkamp- und Stegerstraße und hatte eine annähernd dreieckige Form.
Die drei Straßen dürften auch Orientierungslinien für die beginnende Ansiedlung von Handwerkern und Kleinhändlern gewesen sein. Hausstätten wurden, wie allgemein üblich, vom bischöflichen Haupthof gegen Zahlung eines Wortgeldes vergeben, doch hat sich kein entsprechendes Register oder auch nur ein Hinweis erhalten. Ausgangspunkt der Besiedlung war auch der Kirchhof, der an drei Seiten von Kirchhofspeichern umgeben war. Im Hausstättenregister von 1665 werden noch fünf Spieker als „auffm Kirchhoff“ gelegen bezeichnet. Ein weiterer stand auf dem Grund der Pastorat. Nur nach Norden zur Dufkampstraße war der Kirchhof wegen eines zu großen Höhenunterschiedes mit einer Mauer abgeschlossen, eine Maßnahme, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Auch der Pastor gab Grundstücke gegen Erbpacht aus. Mehrere Häuser an der Steger-, Esch- und Hagenstraße wurden auf seinem Grund und Boden errichtet.
Mit Amtshof, Kirche, Burg und Markt waren bereits im 12./13. Jahrhundert wichtige Voraussetzungen für die Entstehung einer Stadt gegeben. Dass dies unterblieb, mag in den fortwährenden Auseinandersetzungen zwischen Bischof und Grafen seine Ursache gehabt haben. Dies führte dazu, dass die Grafen von Lohn, denen zudem die Verfügungsgewalt über den Amtshof fehlte, den Schwerpunkt ihrer Herrschaft in die östlichen Niederlande verlegten. Der anhaltende Konflikt hielt die Bischöfe von Münster zunächst davon ab, den Ort besonders zu fördern. Mit Coesfeld, Borken und Vreden waren zudem in einem Umkreis von 10 bis 20 Kilometern seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bereits drei Städte entstanden, so dass vorläufig keine wirtschaftliche und militärische Notwendigkeit für eine weitere Gründung bestand.
Stadtlohn verfügt über keine Urkunde mehr, die die Verleihung von Stadtrechten belegt. Der Zeitpunkt der Stadtwerdung lässt sich jedoch über den Wechsel des Ortsnamens von „Nordlohn“ zu „Stadtlohn“ relativ sicher erschließen. Am 5. Februar 1388 wird der Name „Nortloen“ zum letzten Mal urkundlich erwähnt. Am 27. August 1389 wird bei einer Güterübertragung erstmals die Bezeichnung „Stadloen“ verwendet. Mit dieser ersten Nennung fällt die alte Namensform vollkommen weg und erscheint nach 1388 in keiner Urkunde mehr. Der abrupte Wechsel und das Fehlen von Übergangsformen wie „Stadt Nordlohn“ lässt sich nur dadurch erklären, dass er spontan und konsequent mit der Privilegierung des Ortes vollzogen wurde. Die Tatsache, dass der Siedlung lediglich die Rechte einer Minderstadt, so genannte Wigboldrechte, verliehen wurden, hat die Namensänderung nicht beeinflusst, zumal sich die Begriffe „Wigbold“ und „Stadt“ gegen Ende des Jahrhunderts miteinander vermischten. Die Bischöfe schreiben in ihren Urkunden stets von einem „Wigbold Stadtlohn“, eine Bezeichnung, die eigentlich einen Widerspruch in sich enthält. Die Namensform „Stadtlohn“ ist sehr ungewöhnlich. Es gibt keinen weiteren Ort in Westfalen, der das Wort „Stadt“ im Namen führt. Hintergrund sind ähnliche Konstruktionen wie „Hoff to Lohn“, „Schulte to Lohn“ und „Esch to Lohn“ in die sich die Bezeichnung „Stadt to Lohn“ einreihen. Sowohl „Esch to Lohn“ als auch „Stadt to Lohn“ wurden zu „Eschlohn“ und „Stadtlohn“ kontrahiert.
Die Erhebung des Ortes zum Wigbold hatte im Wesentlichen einen militärischen und strategischen Hintergrund. Seit 1380 war die bischöfliche Nachbarstadt Vreden im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem westmünsterländischen Adel, insbesondere den Grafen Sweder von Voorst und Keppel in Ahaus und Heinrich von Solms in Ottenstein, mit neuen und umfangreicheren Befestigungsanlagen versehen worden. Der Bischof konnte sich aber der Loyalität der Stadt, die Verbindungen mit Kleve und Geldern unterhielt, nicht völlig sicher sein. Borken erhielt um 1390 eine steinerne Stadtmauer, die Burg in Ahaus wurde ebenfalls nach archäologischen Befunden um 1394 verstärkt. Eine Befestigung Stadtlohns stellte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Verstärkung der bischöflichen Machtbasis dar. Sie sollte den Stadtlohnern jedoch zunächst kein Glück bringen. In der Fehde des Bischofs Otto IV. Graf von Hoya (1392-1424) gegen den Grafen Heinrich von Solms brandschatzte dieser zunächst Nienborg und Stadtlohn, als dem Bischof gehörende Plätze – „unde brande Stadtloen mit der Kerken, Klocken und Törne“ – heißt es in der münsterischen Chronik. Bischof Otto zog daraufhin noch im gleichen Jahr mit einem großen Aufgebot vor die Burg Ottenstein, belagerte sie ab dem 29. September 1406 und zwang die Besatzung nach zwei Jahren des Aushungerns zur Kapitulation.
Worin bestanden die Rechte, die dem Ort um 1389 verliehen wurden? Aus den Jahren 1491, 1516, 1533, 1556, 1561, 1652 und 1681 sind Urkunden erhalten, in denen die Bischöfe diese Stadtrechte für Stadtlohn erneuerten und im einzelnen benannten:
- Befestigungsrecht „myt Porten, Graven, Plancten, Boemen unde anders“.
- Steuererhebung, insbesondere zum Unterhalt der Befestigungsanlagen. Von jeder im Ort gebrauten Tonne Bier erhielt die Stadt acht Pfennig, der Bischof sechs Pfennig; vom fremden, eingeführten Bier bezog die Stadt vier, der Bischof sechs Pfennig. Weiter erhielt die Stadt von jedem Fass Butter, von jedem Pfund Käse, von jedem Fass Heringe, von jedem Lop Salz zwölf Pfennig.
- Recht auf drei ganztägige Märkte, den ersten „des Maendages na des hilligen Cruceß Inventionis Dage“ (= 3. Mai), den zweiten „des Saterdages na Petri et Pauli Apostolorum Dage“ (= 29. Juni) und den dritten „des Maendages na aller Hilligen Dage“ (= 1. November), sowie auf einen Wochenmarkt am Montag.
- Stadtgericht mit einem vom Fürstbischof eingesetzten Stadtrichter. Der Rechtsbezirk der Stadt reichte bis zu den „Fredesteenen“, von denen sich einer nach einem erhaltenen Flurnamen rund 350 Meter westlich des Eschtores befand. Die Privilegien beinhalteten, dass der Stadt zwei Drittel und dem Bischof ein Drittel der Strafgelder („Bloetsrenningen“) zustanden.
- Das Recht zur Wahl der Bürgermeister und Schöffen.
- Das Recht zur Führung eines Stadtsiegels.
Die Befestigung Stadtlohns bildete die Form eines Ovals von 450 Meter x 350 Meter. Sie bestand aus einem Wall aus Kalkmergel mit Palisade, einem Graben und drei gemauerten Toren, die Mühlentor, Dufkamptor und Eschtor genannt wurden und rundbogige Tordurchfahrten aufwiesen. Der von der Pastorat nach Südwesten verlaufende Weg und die Fortsetzung der Stegerstraße nach Süden wurden durch die Befestigungsanlagen unterbrochen. Im Westen besaß der Wall ein Viehtor, das als Zugang zu den Weiden in der Berkelniederung diente. Vom Dufkamptor bis zum Eschtor entstanden in Anlehnung an den Wall planmäßig die Hagen- und die Johannesstraße. Im Westen entfernte sich der Straßenzug vom Wall, teilte sich im Nordwesten in zwei Arme und traf an der Mühlenstraße wieder zusammen. Das Gelände der früheren Burg Lohn wurde in die Stadtbefestigung integriert. Gespeist wurde der Stadtgraben durch die Garwerts Mähre im Süden, eine Quelle, die so genannte Welle, im Westen und die Berkel im Norden. Die Hanglage der Stadt brachte es mit sich, dass das Wasser durch Wehre gestaut werden musste. Das Stadtgebiet war mit rund 15 Hektar deutlich größer als das anderer Wigbolde der Umgebung und übertraf sogar die Fläche der Stadt Vreden, die nach der Reduktion von 1324 nur noch rund 12 Hektar umfasste.
Die Ratswahl fand jährlich unter Vorsitz oder wenigstens Anwesenheit des fürstlichen Richters statt. Manchmal war auch der Amtsdroste von Ahaus selbst zugegen, wie z. B. in den Jahren 1631 und 1635. Der traditionelle Termin der Ratswahl war der Montag nach „Quasi modo geniti“ (Erster Sonntag nach Ostern), doch wurde er aus unbekannten Gründen 1630 auf Montag nach „Epiphania Domini“ (6. Januar) verlegt. Der Wahlmodus ist in allen Einzelheiten nicht genau bekannt, da es kleine Abweichungen in den wenigen Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts gibt. Vereinfacht vollzog sich die Wahl jedoch folgendermaßen: Am Abend vor dem Wahltag wurden alle steuerpflichtigen Bürger vom Stadtdiener und den Stadtpförtnern zur Teilnahme eingeladen. Die gesamte Bürgerschaft versammelte sich am Montagmorgen in der Kirche zum feierlichen Hochamt. Nach dessen Ende erstattete der Stadtsekretär einen Bericht über die städtischen Angelegenheiten und Finanzen. Die Stadtrechnungen waren zuvor vom städtischen Richter geprüft worden. Zur Wahl gliederte sich die Bürgerschaft in drei Teile oder Kluchten, die, jeder für sich, drei Wahl- oder Alderleute bestimmten. Die neun Alderleute wählten im Rathaus unter Ausschluss der Öffentlichkeit sechs Ratsmitglieder, jeweils zwei aus jedem Stadtteil. Die Ratsherren wurden vor der Wahl der beiden Bürgermeister, Stadtrentmeister und Armenprovisoren vom Stadtrichter vereidigt, „daß nemblich sie Ihro Churfürstliche Durchlaucht, unsern gnädigsten Fürsten und Herr trew, pflicht und hold seyn, auch in ihre bevorstehende Wahl nach Sippschaft, Freundschaft, Gevatterschaft nicht sehen, sondern ehrliche, fromme und der Gemeindeaffären verständige und sonst vernünftige Leute impartialiter (unpateiisch) erwehlen wöllen.“ Falls man bei der Wahlhandlung vor Mitternacht sich nicht hatte einigen können, blieben die alten Bürgermeister und Ratsherren im Amt. Außerdem durften bei der Sitzung zur Vermeidung von Streit und Trunkenheit jeweils nur drei Kannen Bier verabreicht werden. Alle Ämter wurden ehrenamtlich versehen, doch waren die Bürgermeister von der allgemeinen Steuer (Schatzung) befreit.
Die Entwicklung Stadtlohns im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich aufgrund der schlechten Überlieferung nur bruchstückhaft nachvollziehen. Spätestens 1451 war die gotische Pfarrkirche vollendet. In ihr trafen sich am 17. April 1451 Graf Johann von Hoya, Herzog Johann von Kleve und Vertreter des Stadtrates von Münster und schlossen in der Münsterischen Stiftsfehde ein Bündnis. Nach dem Ende der das Münsterland erschütternden kriegerischen Auseinandersetzung (1457) entwickelte sich während einer längeren Friedensperiode in Stadtlohn ein bescheidener Wohlstand.
Die Seelsorge erfuhr durch die Stiftung der zwei Vikarien zu Ehren der drei Heiligen Johannes d. T., Johannes Evangelist und Georg (1510) sowie der drei Heiligen Anna, Katharina und Barbara (um 1512) eine deutliche Verbesserung. 1580 wurde ein Speichergebäude („Spieker“) zwischen Kirche und Marktplatz angekauft, um ihn als Rathaus zu nutzen. Schon im Jahre 1491 hatte man Bürgerbuch angelegt, das mit einer Abschrift der Bestätigung der Wigboldsprivilegien durch Bischof Heinrich von Schwarzburg und einem Verzeichnis aller Bürger der Stadt beginnt und in einer Abschrift aus dem Jahre 1619 erhalten ist. Das Verzeichnis führt 539 Personen (271 Männer und 268 Frauen) in 276 Haushalten auf. Ein weiteres Protokollbuch mit städtischen Haushaltsangelegenheiten, Anstellungen von Torwächtern und Verpachtungen des Stadtgrabens setzt im Jahre 1555 ein. Aus dem Jahre 1541 ist der älteste Abdruck des Stadtsiegels erhalten. Einen Einblick in das gewerbliche Leben der Stadt geben die ältesten Statuten der Gilden von Webern und Tuchmachern sowie der holzverarbeitenden Handwerker aus dem Jahre 1579. Vermutlich geht auch die Vereinigung der Schneider bis in diese Zeit zurück, da eine undatierte Gildeordnung sprachliche Merkmale dieser Zeit aufweist.
Stadtbrand, Schlacht bei Stadtlohn und Verkleinerung des Ortes
Der Kölnische (1583-1588), der Spanisch-Niederländische (1568-1648) und der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) gingen im Westmünsterland fast nahtlos ineinander über und zogen die Bevölkerung mehrfach schwer in Mitleidenschaft. Angesichts der sich in den Niederlanden verschärfenden politischen Lage baten die Bürgermeister und der Rat den Landesherrn am 5. Juni 1568 um die Erlaubnis, die Befestigungsanlagen der Stadt ausbauen zu dürfen. Vermutlich geht die runde Bastion am Ende der Stegerstraße, die in späteren Zeiten den Namen „Scheet“ trug und den langen Abschnitt des Stadtwalls zwischen Esch- und Dufkamptor absicherte, auf diese Zeit zurück.
1584 wurde Stadtlohn von den Truppen des neuen Erzbischofs von Köln, Ernst von Bayern „ingenomen, geplündert und elende mit den Lüden umbgeholden“. Es folgten Überfälle durch die Holländer am St. Martinsabend 1588 und durch die Spanier 1591 sowie der Einzug der Armee des spanischen Admirals Francisco de Mendoza im Winter 1598/99 in das Münsterland. In Stadtlohn waren vom 6. Dezember 1598 bis Ostern 1599 eine Reiterkompanie sowie drei Infanteriekompanien einquartiert und mussten verpflegt werden.
Ein großes Unglück traf die Stadt am 5. Mai 1611, als innerhalb weniger Stunden in einer gewaltigen Brandkatastrophe 225 Wohnhäuser vernichtet wurden und mehrere Menschen den Tod fanden. Nur zehn Häuser (eine andere Quelle spricht von 16) sollen die Feuersbrunst überstanden haben. Der Brand entstand in einem Pferdestall an der Ecke der Dufkamp- und Hagenstraße oder in dem in der Hagenstraße angrenzenden früheren van Bömmelschen Hause. Brandursache war die Explosion einer Schlüsselbüchse, eines gebohrten Schlüssels mit Zündloch, mit der leichtsinnige Jungen gespielt hatten. Das Feuer verbreitete sich mit unheimlicher Schnelligkeit über die ganze Stadt. Der Überlieferung nach fanden die zum Melken der Kühe nach der städtischen Viehweide im Westen der Stadt ausgezogenen Mägde bei ihrer Rückkehr nur noch ein einziges Flammenmeer vor. Auch die Kirche, insbesondere der Turm und das Rathaus mit wertvollen Schriftstücken wurden eingeäschert. Auf die Nachricht vom Stadtbrand trafen aus vielen Orten Westfalens, des Rheinlandes und den Niederlanden Spenden für die Opfer ein. Der Wiederaufbau sollte sich jedoch über viele Jahre hinziehen, zumal die Kriegswirren andauerten.
Am 29. März 1617 brach der Oberst Walraff Gent mit seinen Reitern vom Fürstentum Geldern aus ins Münsterland ein. Hierbei plünderte er u. a. auch Stadtlohn. Der Fürstbischof von Münster berichtete seinem Bruder Maximilian von Bayern darüber: „Vor wenigen Tagen hat sich der Oberst Gent, welcher den Generalstaaten dient, mit 19 Kompagnien Pferde, zweitausend Mann stark, unter dem Vorwande, als sollten sie nach Frankreich geführt werden, aus dem Lande zu Geldern in mein Stift Münster begeben, in demselben den Marktflecken Stadtlohn mit Gewalt eingenommen, ausgeplündert und sowohl den Bürgermeister daselbst, als etliche andere Bürger geschädigt und niedergeschossen, auch sonsten, wo sie durchgezogen, sehr übel und feindlich gehaust.“
Die Bevölkerung Stadtlohns setzte sich zunächst zur Wehr. Drei Reiter wurden verwundet und zwei Pferde erschossen. Das Eindringen der feindlichen Übermacht konnte aber nicht verhindert werden. Die Soldaten eroberten ein Stadttor, zogen einen Teil der hölzernen Stadtbefestigung um und warfen ihn in den Graben. Der Bürgermeister Bernd Bülsing wurde „durch den Leib geschossen“ und tödlich verwundet. Einer anderen Überlieferung zufolge soll dies bereits in Hundewick am „blöödrigen Steen“ geschehen sein. Für die verletzten Soldaten sollten die Stadtlohner 1 000 Kronen und Wein als Entschädigung zahlen.
Kurz nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges stand Stadtlohn erneut im Mittelpunkt kriegerischer Handlungen. Schon am 1. November 1622 wurde die Stadt von Einheiten des Söldnerführers Ernst von Mansfeld geplündert, anschließend zogen die kaiserlichen Truppen des Grafen von Anholt ein, wobei der Unterführer Graf Matthias Gallas in Stadtlohn sein Hauptquartier aufschlug. Am 6. August 1623 kam es im Lohner Bruch, einer Heide im Norden der Stadt, auf dem so genannten „Blutfeld“, zur Schlacht zwischen den Truppen des kaiserlichen Feldherrn Johann Tserclaes Graf von Tilly und des protestantischen Herzogs Christian von Braunschweig, in der dieser eine vernichtende Niederlage erlitt. Christian von Braunschweig hatte versucht, sich mit seinen Truppen, von der Weser kommend, in Richtung Niederlande zurückzuziehen. Nach mehreren kleineren Gefechten musste er sich jedoch unter ungünstigen geographischen Bedingungen, kurz vor dem Berkelübergang an der Kalterbrücke, zum Kampf stellen. Die Schlacht bei Stadtlohn, bei der rund 6000 Söldner ihr Leben verloren, entschied den böhmisch-pfälzischen Krieg, die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges. Christian selbst konnte sich mit Resten seiner Armee nach Bredevoort absetzen. Der siegreiche Feldherr Tilly hielt sich mit seinen Truppen noch mehrere Tage in Stadtlohn und Umgebung auf. Von hier aus verschickte er bis zum 10. August 1623 mehrere Berichte über die Ereignisse u. a. an den Kaiser in Wien, den Kurfürsten von Bayern in München und die spanische Regentin in Brüssel.
Der Stadtbrand und die kriegerischen Ereignisse mit ihren Zerstörungen und Kosten sowie der Rückgang von Handel und Gewerbe bewirkten einen deutlichen Niedergang der Stadt. Der starke Bevölkerungsschwund bewog die Bewohner im Jahre 1629, den Fürstbischof Ferdinand von Bayern um Erlaubnis zur Verkleinerung der Stadt zu bitten, da „unser Stättlein in vorzeiten zu weit begriffen, aber der dritte Theil kaum bezimmert, also nit voll besetzt oder beschützet werden kann.“ Bis zu diesem Zeitpunkt waren erst 176 Häuser wieder aufgebaut worden. Die Verkleinerung der Stadt sollte nach einem zeitgenössischen Plan durch die Neuanlage eines gradlinigen Walles direkt westlich des Esch- und des Mühlentores erfolgen. Der mit rund 27 Häusern sehr dünn besiedelte Westen der Stadt sollte dabei abgetrennt und die betroffenen Bürger in das verbleibende Stadtgebiet umgesiedelt werden. Der Plan gibt den Verlauf der Straßen etwas verzerrt wieder, vermittelt aber eine gute Übersicht über den Stand der Bebauung. Die Dufkampstraße, die Mühlenstraße und der Markt weisen dabei dicht geschlossene Häuserreihen auf. Im Bereich der Hagenstraße, Stegerstraße, Eschstraße und Meskes Stegge sind umfangreichere Baulücken vorhanden. Johannesstraße und Hohe Stegge sind fast nur einseitig, die spätere Rezepterstraße und Neustraße überhaupt nicht bebaut. Im ganzen Westen der Stadt existierten nur kleinere Häusergruppen.
Die Reduktion wurde schließlich etwas weniger umfangreich als im Plan dargestellt vorgenommen und die neuen Verteidigungsanlagen um etwa 50 Meter nach Westen verlegt. Die Zahl der umzusiedelnden Bürger sank durch diese Maßnahme auf 20. Das ausgegrenzte Gelände wurde fortan „Butenstadt“ genannt und als Gartenland genutzt.
Traditionelle Gewerbe: Kalkgewinnung, Ziegelöfen, Töpfereien und Leinenfabrikation
Zu den wenigen nutzbaren Bodenschätzen der heimischen Umgebung gehören die Kalksteine der oberen Kreidezeit, die im Bauwesen und in der Landwirtschaft als Bau- und Düngekalk gebraucht wurden, sowie die Tonvorkommen. Die Geschichte der gewerblichen Nutzung des Kalkes lässt sich in Stadtlohn bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Nachdem schon die Stadt Stadtlohn seit „unvordenklichen“ Jahren einen Kalkofen in Wessendorf betrieben hatte, errichtete der Bürger Johan Witthacke kurz vor 1630 einen zweiten an der Kalterbrücke. Ein weiterer ist 1652 in der Hünenburg nachweisbar. Die Kalköfen benötigten für das Brennen des Kalkes große Mengen an Holz und trugen so bedeutend zum Niedergang der Wälder bei.
Ende des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Nutzung der Kalkvorkommen. Im Jahre 1894/95 errichtete die Firma Cohaus & Klümper südlich von Stadtlohn in Hundewick ein Kalkwerk, das jährlich etwa 20 000 Zentner Baukalk erzeugte. Als Stadtlohn aber 1902 durch die Westfälische Landeseisenbahn Anschluss an das überörtliche Schienennetz erhielt, konnte der Bochumer Kalk mit der Bahn billiger nach Stadtlohn transportiert werden, und das Kalkwerk stellte seinen Betrieb ein. Gleichzeitig entstand mit den „Westfälischen Kalkwerken Böcker, Hessing und vom Berge“ an der Grenze zu Südlohn ein neuer Betrieb, der beiderseits der Bundesstraße 70 vor allem Düngekalk produzierte und bis 1960 tätig war.
Für das Jahr 1630 lässt sich erstmals eine Städtische Ziegelei in Stadtlohn nachweisen, doch geht deren Geschichte viel weiter in die Vergangenheit zurück. In einem Pachtvertrag vom 12. August 1630 heißt es nämlich: „demnach ein Zeitlang von Jharen der Stadt Steinofen durch vielfältige Kriegs Beschädigung und andere Ungefelle baufelligh geworden, daß zum Fürtheil und Nutz wir bevor nichts gekommen“. Der Rat verpachtete den Stadtsteinofen an den Mitbürger Gerd Kemper gegen eine Pacht von 5 Talern pro Brand und eine Kaution von 100 Talern. Außerdem behielt sich der Rat einen Steinbrand vor, „zu Reparation Murren, Pforten und andere boufellige Wachthüser“. Im ländlichen Hausbau fand der Backstein bis ins 17. Jahrhundert noch wenig Verwendung. Erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er immer beliebter und setzte sich schließlich gegenüber früheren Lehmausfachungen endgültig durch. Ende des 19. Jahrhunderts folgte aufgrund der großen Nachfrage der Übergang zur industriellen Herstellung von Ziegelsteinen gegenüber dem früher praktizierten Feldbrandverfahren.
1888 gründeten der Kaufmann Eduard Cohaus und der Schreinermeister und Bauunternehmer Bernhard Klümper die Firma Cohaus und Klümper. Nachdem sie zunächst einen Feldbrandofen betrieben hatten, errichteten sie 1889 auf einem Grundstück des Zellers Claushues, dem so genannten „Elendsberg“, am Fußweg nach Vreden, einen Ringofen mit Überdachung sowie Trockenhaus und Zieglerwohnung. Die Grundstücke hatte der Bauer Franz Josef Holtkamp gnt. Claushues auf 25 Jahre verpachtet. Für den Transport des Lehms gab es eine so genannte Schleppbahn. 1894 wurde zusätzlich eine Dampfkessel-Anlage gebaut. Etwa zur gleichen Zeit entstand etwas weiter nördlich auch die Dachpfannenziegelei Terhechte & Schöning, die auch „Bismarckhütte“ genannt wurde.
Am 18. Mai 1896 wurde von sechs Stadtlohner Unternehmern die Firma Stadtlohner Ziegelwerke Klümper, Iking & Co. gegründet, die an der Grenze zu Gescher die Ziegelei „Hochfeld“ errichtete. Während die anderen Ziegeleien nach dem Ersten Weltkrieg in Folge der schwierigen Wirtschaftslage eingingen, produziert die Ziegelei in Estern heute noch unter dem Namen H. & J. Iking.
Durch die Zuwanderung von Töpfern aus dem niederrheinischen Frechen gewann ein möglicherweise schon vorher bestehender Handwerkszweig größere überörtliche Bedeutung. Schon 1619 werden „Hanß von Vrechen gnandt Kruikenbeecker“ und „Hinrich Kruikenbeecker“ in einem Einwohnerverzeichnis aufgeführt. 1630 bekleidete Henrich Krukenbecker das Amt des Stadtrentmeisters, 1638 war Hinrich von Frechen gnt. Krukenbäcker sogar Bürgermeister.
Die Töpferei entwickelte sich zu einem florierenden Handwerk, da die benötigten Tonvorkommen in der näheren Umgebung, vor allem in Wenningfeld, zur Verfügung standen. 1812 gab es vier Töpfereien mit zwölf Arbeitern. Außerdem existierte seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Fabrik von irdenen Tabakspfeifen mit sechs Arbeitern. Bis 1817 stieg die Zahl der Betriebe auf acht Töpfereien. Die Töpferware wurde auf den Märkten im Land und in Norddeutschland verkauft oder in die Niederlande exportiert. Dabei bediente man sich ab Vreden der Berkelschifffahrt.
Die Rentabilität der Töpfereien war im 19. Jahrhundert nicht besonders hoch, und das Gewerbe geriet in Schwierigkeiten, als neue Haushaltswaren aus Metall, Email oder Glas dem Steinzeug Konkurrenz zu machen begannen. 1887 führte der Central-Gewerbe-Verein für Rheinland und Westfalen mit staatlicher Unterstützung Beratungen und Schulungen für die zehn Töpfermeister sowie 20 Gesellen und Lehrlinge durch, um die Vielfältigkeit und Qualität der Produkte zu verbessern.
Wenngleich die wirtschaftliche Bedeutung der Töpferei für die Stadt niemals besonders groß war, so prägte das Gewerbe doch das Bild Stadtlohns und machte den Ort im weiten Umkreis zur „Pottebäckerstadt“. Seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts versuchte man Stadtlohn als „Töpferstadt“ touristisch zu erschließen. Über die Herstellung reiner Gebrauchgüter hinaus gelang einigen Betrieben der Übergang zum Kunstgewerbe, so dass das Handwerk bis heute in Stadtlohn überleben konnte.
Eine wirtschaftlich ungleich größere Bedeutung hatte das Textilgewerbe, das in seinen Anfängen bis ins Mittelalter zurückreicht und zunächst ausschließlich aus der Leinenfabrikation bestand. Flachsanbau, Spinnen und Weben wurden saisonal als Nebengewerbe zu Landwirtschaft, Handwerk oder Tagelohnarbeiten betrieben. 1817 waren in der Stadt 125 und im Kirchspiel 327 Webstühle vorhanden. Insbesondere das Kirchspiel Stadtlohn hatte damit bei 2 072 Einwohnern nach dem Kirchspiel Epe die höchste Dichte an Webstühlen pro Einwohner im damaligen Kreis Ahaus. Das gefertigte Leinen wurde von etwa 100 Arbeitern entlang der Berkel gebleicht und von Stadtlohner Tuchhändlern in die Niederlande ausgeführt. Nach einem Bericht des bischöflichen Beamten in Ahaus aus dem Jahre 1798 wurden in keiner Ortschaft des Oberstifts Münster Leinwandmanufaktur, Bleicherei und Handel stärker betrieben als in Stadtlohn. Die Tuchhändler prägten das Erscheinungsbild der Stadt im 18. Jahrhundert durch den Bau repräsentativer Wohnhäuser wie dem Schnoerschen und Heckingschen Haus (1765-68 bzw. 1792) und bekleideten meist das Amt des Bürgermeisters.
Wallfahrt zur Madonna auf dem Hilgenberg
Wie sich an zahlreichen Urnenfunden erkennen lässt, betrachteten die Menschen den Hilgenberg schon vor Jahrtausenden als einen besonderen, spirituellen Ort. In christlicher Zeit konzentrierte sich die Verehrung mehr und mehr auf die zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt auf diesem Hügel errichtete Kapelle, und auf das in ihr aufbewahrte mittelalterliche Madonnenbildnis. Bereits 1616 wird eine Prozession von der Stadtlohner Pfarrkirche zur Hilgenbergkapelle am dritten Ostertag erwähnt. An dieser Prozession nahmen auch Gläubige aus den Nachbargemeinden Vreden, Gescher und Südlohn teil.
Die wachsende überörtliche Bedeutung der Kapelle dürfte auch der Grund für die Spende des Fürstbischofs Friedrich Christian von Plettenberg im Jahre 1695 gewesen sein, mit der er den Neubau der Kapelle unterstützte. Vermutlich entstand damals ein achteckiger barocker Zentralbau, dessen Reste den heutigen Altarraum umgeben. Zur Einweihung setzte von Plettenberg eine neue Prozession ein, die bis heute alljährlich zum Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli stattfindet.
In einem Protokoll der Archidiakonalsynode heißt es im Juni 1720: „Es liegt eine nicht mit festen Einkünften ausgestattete Kapelle außerhalb der Stadt auf dem Hilgenberg, die zwar erst kürzlich zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria wiederaufgebaut wurde, aber schon in alten Zeiten, wie aus sehr alten Überlieferungen hervorgeht, durch Wunder berühmt war und jetzt von vielen Prozessionen im Laufe des Jahres besucht wird.“
Die wachsenden Pilgerzahlen machten im Jahre 1738 eine Erweiterung der Kapelle notwendig. Das Datum ist noch heute auf dem Schlussstein des Rundbogens über der Eingangstür zu lesen. Die Kapelle wurde nach Westen verlängert und mit einem Dachreiter versehen, um mehr Prozessionsteilnehmern Platz zu bieten. Die Berichte von acht Wunderheilungen in den Jahren 1739-1749 ließen die Popularität und Bedeutung der Mutter-Gottes-Kapelle weiter wachsen. Stadtlohn entwickelte sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts – nach Telgte – zum zweitwichtigsten Marienwallfahrtsort des Münsterlandes.
In der Nacht vom 13. auf den 14. September 1886 drangen unbekannte Täter in die Hilgenbergkapelle ein und entwendeten das Gnadenbild der Madonna. Der Einbruch wurde dadurch erleichtert, dass die Öffnungen der bei den laufenden Renovierungsarbeiten neu eingesetzten Türen noch nicht durch Gitter oder Scheiben verschlossen waren.
Die Nachricht vom Verbrechen verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt und löste allgemeines Entsetzen aus. Eine hektische Suche und polizeiliche Nachforschungen nach dem Gnadenbild begannen – jedoch ohne Erfolg. Der Diebstahl beendete die überörtliche Wallfahrt nach Stadtlohn abrupt.
Stadtlohn im 19. Jahrhundert
Das Jahr 1803 bedeutete für die Geschichte Stadtlohns einen bedeutenden Einschnitt. Nach der Auflösung des Fürstbistums Münster im Rahmen des Reichsdeputations-Hauptschlusses gehörte der Ort bis Anfang 1811 zum Fürstentum Salm, das etwa das Gebiet des heutigen Kreises Borken umfasste. Die Regierung des Fürstentums bemühte sich auf vielen Gebieten wie dem Medizinalwesen sowie Handel und Gewerbe um Reformen und eine Modernisierung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Eigene Militäreinheiten besaß das kleine Fürstentum nicht.
Im Juli 1806 traten die Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyrburg dem Rheinbund bei. Sie waren nunmehr verpflichtet, ein Kontingent von 360 Mann zur Armee des Rheinbundes zu stellen. Am 8. Oktober 1806 verkündete die Regierung die Aufstellung eines Bevölkerungsverzeichnisses (Populationsliste) und zwei Tage später erschien in Bocholt ein Publikandum, in dem die Aufstellung von Konskriptionslisten (Verzeichnis der Militärpflichtigen) angekündigt wurde.
Die Nervosität vor allem der männlichen Bevölkerung wurde noch durch den Umstand vergrößert, dass gleichzeitig mit der Vorbereitung dieser Aushebung ein Krieg zwischen Frankreich und Preußen ausbrach. Noch bevor das Ergebnis der Entscheidungsschlachten von Jena und Auerstedt vom 10. bis 14. Oktober 1806 bekannt war, kam es am 14. Oktober 1806 zu einer regelrechten Panik, die als „den groten Loopdag“ in die Chroniken einging. „Am 14. Oktober 1806, an dem unglückschwangeren Tage der Schlachten bei Jena und Auerstädt ergriff ein unerklärbarer Schreckensschwindel die Einwohner hiesiger Gegend [Stadtlohn]. Durch einfältige Prophetereien vorbereitet, wirkte wie ein elektrischer Schlag der Ruf: ‚Die Preußen kommen und nehmen das junge Volk weg!’ auf die Gemüter der kleinlichen Seelen, und was im Felde war, lief zur Stadt, lief von dort gegen die holländische Grenze und lief mit den dort im Felde sich aufhaltenden bis Winterswijk, wo manche in Holzschuhen, mit Ackergeräten, Spaten und Mistgabeln auf dem Nacken ankamen. Man will darunter Menschen von 60 Jahren bemerkt haben. Als am andern Tage dieser Laufschwindel geschwunden war, kehrten die Narren mit langen Gesichtern heim und wurden ausgelacht. Das Andenken an diesen ‚groten Loopdag’ hielt sich noch lange in der Bevölkerung.“ Zur beabsichtigten Aufstellung einer salmschen Militäreinheit kam es nicht, da das Kontingent gegen eine hohe Geldsumme vom Fürsten von Nassau-Usingen übernommen wurde.
Der Übergang des Fürstbistums Salm an das Kaiserreich Frankreich im Jahre 1811 brachte umfangreiche Veränderungen auf allen Gebieten der Verwaltung, der Rechtsprechung, des Gerichtswesens und des Gewerbes. Die frühere, seit dem Mittelalter bestehende Selbstverwaltung der Stadt durch die gewählten Bürgermeister und Rentmeister wurde abgeschafft und durch die Mairieverfassung abgelöst. Nunmehr standen ein von der Regierung ernannter Maire (Bürgermeister) und zwei Adjunkten (Beigeordnete) an der Spitze der Verwaltung. Stadtlohn wurde als Kantonsstadt bestimmt und damit Verwaltungsmittelpunkt eines Bezirkes, der auch die Marien Gescher und Südlohn umfasste.
Die französische Staatsangehörigkeit bedeutete für die Westmünsterländer die Verpflichtung zum persönlichen Militärdienst nach dem System der so genannten „Konskription“. Jährlich schrieb der Staat den Bedarf an Soldaten aus und ermittelte vor Ort die Aktiven durch Losentscheid, wobei jedoch die Möglichkeit zugelassen wurde, einen Stellvertreter (Remplakanten, landläufig auch „Rempelmann“ genannt) zu stellen. 1811 wurden sechs Mann zur französischen Armee eingezogen, von denen nur einer aus Russland zurückkehrte. 1812 wurden sieben junge Männer zum Heer eingestellt: van Almsick aus der Stadt, Gelsing und Büning aus Almsick, Kahmen aus Hundewick, Lütkenhaus aus Wendfeld, Menker aus Büren und Winking aus Estern. Büning und Kahmen überlebten den Militärdienst nicht. 1813 wurden Rotz, Stoots, Twyhues, Beckhaus aus Stadtlohn, Upgang aus Wessendorf sowie Nünning und Thesseling aus Hengeler ausgelost, wobei Upgang, Beckhaus und Thesseling jedoch in der Lage waren, Ersatzleute zu stellen. Von diesen ausgehobenen Mannschaften fielen Rotz und Stoots den napoleonischen Feldzügen zum Opfer. Außerdem kam Johann Gerhard Thering aus Wendfeld in Russland ums Leben, der für den Schulzen Herking in Südlohn den Militärdienst übernommen hatte.
Mit der Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleons durch den Wiener Kongress fielen Stadtlohn und das ganze Münsterland an das Königreich Preußen. In Westfalen blieb vorerst die Bürgermeistereiverfassung der französischen Verwaltung bestehen, die sich als durchaus praktikabel erwiesen hatte. Nur die französischen Amtsbezeichnungen wurden durch deutsche ersetzt. In Stadtlohn blieb Ernst Beckhaus weiterhin als Bürgermeister tätig. 1819 wurde auch die Bürgermeisterei Südlohn mit Stadtlohn vereinigt und von Ernst Beckhaus gemeinschaftlich verwaltet, bis der Regierungspräsident diesen 1821 aus dem Dienst entließ. Die Ernennung des Nachfolgers Alexander Bohlender erfolgte am 12. September 1821. Nachdem dieser 1835 u. a. wegen Vernachlässigung der Amtsgeschäfte, einer unmoralischen Lebensführung und Unterschlagung von Gemeindegeldern vom Dienst suspendiert worden war, wurde in Stadtlohn die Preußische „Revidierte Städteordnung“ eingeführt. Mit der Amtsübernahme von Carl Friedrich Holländer als Bürgermeister am 4. März 1837 erfolgte sodann die Trennung der Verwaltung der Stadt von den Landgemeinden. Der Verwaltungsbezirk der Stadt Stadtlohn umfasste nun wieder den alten mittelalterlichen Stadtbezirk einschließlich der Butenstadt und des Dufkampes.
Das Statut der Stadt Stadtlohn vom 18. September 1846 regelte die Grundzüge der Verwaltung. Jede nach Stadtlohn ziehende Person hatte ein Einzugsgeld von 18 Talern zahlen. Damit war jedoch keineswegs die Verleihung des Bürgerrechts verbunden. Bürger konnte nur werden, wer im Stadtbezirk Grundeigentum von mindestens 300 Talern oder ein jährliches Gewerbeeinkommen von 200 Talern besaß. Jedes Jahr, am letzten Sonntag im April, wurden auf einer Versammlung aller Bürger die zwölf Stadtverordneten gewählt, die dem heutigen Stadtrat vergleichbar sind, doch war für diese Funktion ein Grundbesitz von 1 000 Talern oder ein Einkommen von 200 Talern Voraussetzung. Die Stadtverordneten wiederum wählten den Magistrat, der aus einem Kollegium von vier Personen, dem besoldeten Bürgermeister sowie drei ehrenamtlichen Mitgliedern, bestand. Ein weiterer Punkt regelte die gemeinsame Nutzung des städtischen Grundeigentums. Ein Markengrundstück im Immingfeld diente den Stadtbewohnern zum Handmähen und Torfstich („Schaddenstich“). Ein zweites im Wenningfeld war in Erbpacht an die Töpfer vergeben, die dort den benötigten Ton gruben.
Nachdem die Münsterländer dem preußischen Staat und seinem Militärapparat nach 1815 zunächst weitgehend ablehnend gegenüber gestanden hatten, änderte sich diese Einstellung in den folgenden Jahrzehnten allmählich. Um 1855 wurde in Stadtlohn ein Kriegerverein nach dem Vorbild altpreußischer Gebiete gegründet, dessen Ziel es war, die Veteranen der Befreiungskriege von 1813-15 zu ehren, sich gemeinsam an die Militärdienstzeit zu erinnern und die Verstorbenen zu Grabe zu geleiten.
Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 nahm das Kriegervereinswesen einen großen Aufschwung. Nun entstanden in fast allen Orten ähnliche Vereine und Gesellschaften. Feiern zu Kaisers Geburtstag, „feucht-fröhliche“ Felddienstübungen, monatliche Zusammenkünfte mit Absingen alter Soldatenlieder, Familienfeiern und Preisschießen gehörten zum Jahresprogramm. Stärker als bei den althergebrachten Schützenvereinen, mit denen sie z. T. in Konkurrenz standen, hatte das Bekenntnis zum preußischen Staat und zur Bedeutung des Militärs in der Gesellschaft eine zentrale Bedeutung.
Industrialisierung
Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den Niedergang der in Heimarbeit ausgeführten Leinenweberei geprägt, die neben der Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle vieler Menschen bildete. Als 1845 bis 1850 die Kartoffelkrankheit auch die landwirtschaftlichen Erträge stark beeinträchtigte, kam es zur Verarmung weiter Bevölkerungskreise. Eine Folge war ein starkes Anwachsen der Auswanderung nach Amerika, wohin es in diesen wenigen Jahren über 100 Personen zog. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten trugen nicht unwesentlich zu den Unruhen des Jahres 1848 bei, die sogar den Einsatz von Militär in Stadtlohn erforderlich erscheinen ließen. 1852 begründete Pfarrer Christoph Herpert den Wunsch nach Durchführung einer Volksmission u. a. damit, um „dadurch die Zerwürfnisse, die das Jahr 1848 hin und wieder und auch hier hervorgerufen hat, beseitiget zu sehen.“
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbesserte die Industrialisierung Stadtlohns die Lebensbedingungen der Bevölkerung nachhaltig. Sie begann im Jahre 1863 mit dem Bau einer mechanischen Weberei durch Heinrich Hecking im Osten der Stadt im Bereich des heutigen Busbahnhofs. Um die Wende zum 20. Jahrhundert gewann die Entwicklung der Textilindustrie gewaltig an Dynamik. 1895 wurde die in H. Hecking Söhne umbenannte Firma um eine zweite Weberei an der Dufkampstraße und 1907 um eine Spinnerei am Bahnhof erweitert. Weitere Textilbetriebe wie Ww. J. G. van Bömmel (1888), Hecking & Co. (1893), Cohaus & Demes (1896) und Fritz Niehues (1924) folgten. Sie ließen Stadtlohn zu einem Zentrum der Textilindustrie und nach Gronau zum wichtigsten Gewerbestandort des Kreises Ahaus werden. Unterstützt wurde die Industrialisierung durch die am 1. Oktober 1902 erfolgte Inbetriebnahme der Nordbahn, die Stadtlohn an das überregionale Verkehrsnetz anschloss. Die einseitige industrielle Struktur wurde durch die Stuhlfabrik H. & F. Spahn nur unwesentlich aufgelockert. Hinzu kam im Oktober 1929 die Firma Lichtgitter des Engländers Allan Norman Kennedy, die nach dem Punkt-Schweißverfahren Gitterroste herstellte. Weitere Unternehmungen wie die Zigarrenfabrik Gelsing und das Sägewerk Gebr. Sümpelmann gingen während der Weltwirtschaftskrise 1930/33 ganz oder weitgehend ein. 1939 waren etwa 1 800 Personen in der Textilindustrie, 450 in der holzverarbeitenden Industrie tätig.
Die positive wirtschaftliche Entwicklung ließ die Einwohnerzahlen, die während des 19. Jahrhunderts weitgehend stagniert hatten, wieder stark anwachsen (1898: 2 766, 1910: 4 025, 1933: 6 700).
Erst um die Jahrhundertwende überschritt die Bebauung deutlich die Grenzen des historischen Stadtgebietes. Die Ansiedlung der Industriebetriebe und der meist in der Nähe gelegenen Arbeiterwohnhäuser vollzogen sich dabei meist in der die Stadt umgebenden Gemeinde Wessendorf. In zwei Eingemeindungen in den Jahren 1910 und 1930 wurden große Teile dieser Gemeinde in das Stadtgebiet eingegliedert. Im Jahr 1911 entstand ein erster Bebauungsplan, der das gesamte rund 178 Hektar umfassende Stadtgebiet mit einem Netz von 50 geplanten neuen Straßen überzog und die Stadtplanung auf eine neue Grundlage stellte. Manches wichtige Straßenprojekt konnte z. T. erst Jahrzehnte später realisiert werden, wie z. B. die Verbindung von Pfeifenofen und Vredener Straße, von Graben- und Eschstraße sowie der Bau der Burg- und Sprakelstraße. Mit der Erschließung der Meskesweide, des Lohner Esches bis zur Baken- und Kolpingstraße und eines unfangreichen Wegesystems im Bereich der Hilgenbergkapelle wies der Bebauungsplan aber weit in die Zukunft. Vom wichtigsten Projekt, einer vollständigen Ringstraße, entstanden mit dem Schanz- und dem Südring allerdings nur kleine Bruchstücke.
Stadtlohn unter dem Hakenkreuz
Finanzielle Probleme der Stadt durch den Bau des Wasserwerkes im Jahre 1930 und eine hohe Arbeitslosigkeit förderten den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung in Stadtlohn. Die NSDAP konnte hier zwar im November 1932 nur 16,4 % und selbst bei den Wahlen im März 1933 nur 25,5 % der Stimmen auf sich vereinigen, hatte aber im Kreis Ahaus damit eine ihrer Hochburgen. Bis zum Jahre 1938 war die Geschäftsstelle der NSDAP-Kreisleitung in einem Gebäude am Marktplatz untergebracht, bevor sie nach Ahaus verlegt wurde. Der örtliche Parteivorsitzende Clemens Blanke wurde im August 1933 zum Bürgermeister gewählt. Ab 1934 fungierte er gleichzeitig als Kreisleiter der NSDAP im Kreis Ahaus. Als er 1938 zunächst zum Kämmerer und später zum Bürgermeister von Rheine ernannt wurde, übernahm Franz Nüsperling seine Nachfolge in Stadtlohn.
Schon in den ersten Monaten nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten, den Staat umzuformen und die Gesellschaft in ihrem Sinne zu organisieren. Alle Parteien außer der NSDAP sowie die Gewerkschaften wurden aufgelöst. Große Teile der Bevölkerung wurden über parteinahe Organisationen wie Hitlerjugend (HJ), Bund deutscher Mädel (BDM), Deutsche Arbeitsfront (DAF), NS-Volkswohlfahrt (NSV), NS- Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation (NS-Hago) NS- Kriegsopferversorgung (NSKOV) oder den Luftschutz organisiert und mussten den Parteiappellen folgen, wenn sie nicht persönliche Nachteile in Kauf nehmen wollten.
Die Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung gegen die katholische Kirche ließen ab 1934 einen großen Teil der Bevölkerung innerlich auf Distanz zur herrschenden Ideologie gehen. Die grundsätzliche Loyalität zum Staat wurde dabei aber nicht in Frage gestellt. Nur in wenigen Fällen kam es zu Protestäußerungen wie z. B. durch demonstrativ große Teilnehmerzahlen bei Wallfahrten, überdurchschnittlich vielen Nein-Stimmen bei der Abstimmung über die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und Reichspräsidenten oder Zerstörungen des „Stürmerkastens“. Der Vikar Johannes Klumpe, der auf die Frage eines BdM-Mädchens, ob er Juden grüße, dieses bejahte, wurde denunziert und Ende Oktober 1941 verhaftet. Am zweiten Weihnachtstag 1941 wurde er in das KZ Dachau eingeliefert. Nach seiner Befreiung im April 1945 kehrte er entkräftet und gesundheitlich geschädigt nach Stadtlohn zurück.
Dem nationalsozialistischen Terror fiel die jüdische Gemeinde in Stadtlohn zum Opfer, die seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar ist und 1933 rund 50 Mitglieder umfasste. Während einige jüdische Bürger rechtzeitig nach Australien, Palästina, Südamerika oder in die Vereinigten Staaten auswanderten, wurden etwa 25 Personen, die in Stadtlohn verblieben waren oder nur in die Niederlande emigriert waren, deportiert und ermordet.
Wenige Tage vor dem Einmarsch der englischen Truppen wurde vor allem die Innenstadt Stadtlohns in mehreren Bombenangriffen am 11., 21. und 22. März 1945 fast vollständig zerstört. 296 Einwohner verloren dabei ihr Leben. Nur die Außenbereiche der Stadt blieben von größeren Schäden verschont. 687 Soldaten und sieben Zivilisten wurden während des Krieges außerhalb Stadtlohns getötet oder gelten als vermisst.
Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder
Der Zweite Weltkrieg hatte unermessliches Elend über die Bevölkerung Stadtlohns gebracht. Von den 955 Gebäuden mit 1 313 Wohnungen, die vor dem Krieg vorhanden waren, blieben nur 75 Gebäude mit 103 Wohnungen völlig unbeschädigt. Fast alle öffentlichen Gebäude, die Kirche, das Rathaus, das Krankenhaus und die Wallschule waren nur noch Trümmerhaufen. Die Straßen waren unpassierbar und die darin verlegten Wasser-, Strom- und Gasleitungen zerstört. Viele Menschen verloren ihre Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Handwerk, da die Betriebe der Stadt ebenfalls in Schutt und Asche lagen. In den meisten Fällen waren mit den Häusern auch Lebensmittelvorräte, Hausrat und Bekleidung vernichtet worden. Der Schadensgrad betrug fast 86 % und Stadtlohn zählte zu den durch Kriegseinwirkung am stärksten zerstörten Städten des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die Bewohner der Innenstadt fanden zum größten Teil Unterkunft bei den Bauern der umliegenden Landgemeinden. Diese versorgten ihre Mitbewohner soweit es ging mit Lebensmitteln, obwohl auch bei ihnen die Vorräte knapp wurden und sie seit Anfang 1946 zusätzlich Hunderte von Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten aufzunehmen hatten.
Vor allem nach der Währungsreform im Juni 1948 gewann der Wiederaufbau Stadtlohns ein vorher nicht erwartetes Tempo. Er wurde geleitet von einem schon 1946 erarbeiteten Wiederaufbauplan, der mit einer Grundstücksumlegung in der Innenstadt verbunden war, um die Bebauungsdichte zu verringern. Zahlreiche frühere Bewohner dieses Bezirks wurden an den Stadtrand ausgesiedelt. Die historischen Straßenzüge blieben jedoch im Wesentlichen erhalten. Lediglich im Nordwesten wurde im Bereich von Hohe Straße, Rezepterstraße, Alte Poststraße ein neues, rechtwinkliges Straßennetz geschaffen. Die Grabenstraße wurde im Norden über eine Berkelbrücke („Fettpottbrücke“) mit der Mühlenstraße verbunden und im Süden bis zur Eschstraße verlängert. Sie nahm nunmehr den Verkehr der Bundesstraße auf und entlastete den Innenstadtbereich.
Bis zum Jahre 1953 waren die wichtigsten Projekte wie die Erneuerung der Kanalisation und der Straßen, der Wiederaufbau der Pfarrkirche St. Otger sowie der Neubau des Krankenhauses Maria Hilf, der Marienschule und des Rathauses abgeschlossen. Im Bereich des Hegebrocks, der Hilgenbergkapelle und des Owwerings entstanden erste neue Wohngebiete. Optisch abgeschlossen wurde die Nachkriegszeit mit dem Aufsetzen des Hahns auf dem neuen Turmhelm der St.-Otger-Kirche am 10. April 1957. Die Ausweisung des großzügig angelegten Wohngebietes auf dem früheren Hof Wenning 1954 und der Bau des Freibades 1958/59 kennzeichnen dabei bereits eine Phase des weiteren Stadtausbaus.
Am 1. August 1964 schlossen sich die fünf zum Amt Stadtlohn gehörenden Gemeinden Almsick, Estern-Büren, Hengeler-Wendfeld, Hundewick und Wessendorf zur Gemeinde Kirchspiel Stadtlohn zusammen. Gleichzeitig begann jedoch schon landesweit eine Diskussion über die Notwendigkeit einer umfassenden Verwaltungs- und Kommunalreform. Die starke Zunahme der Einwohnerzahlen, die rege Wohnungsbautätigkeit sowie die Ausweitung der Gewerbegebiete führte mehr und mehr zu Konflikten und Planungsschwierigkeiten zwischen benachbarten Gemeinden. Dies galt auch für den Raum Stadtlohn, wo die Stadt immer stärker an ihre Grenzen stieß. Am 1. Juli 1969 wurde die kommunale Neugliederung auf freiwilliger Basis umgesetzt. Das Amt Stadtlohn wurde aufgelöst und die Gemeinde Kirchspiel Stadtlohn mit der Stadt Stadtlohn vereinigt, mit der dessen Bevölkerung von alters her hinsichtlich des Verkehrs, der Wirtschaft und der kommunalen und kirchlichen Einrichtungen eng verbunden gewesen war. Abgeschlossen wurde die landesweite Verwaltungsreform mit der Kreisreform des Jahres 1975. Stadtlohn rückte dabei aus seiner Randlage im früheren Kreis Ahaus in das Zentrum des neuen Kreies Borken.
Schon in den 1970er Jahren wurden in der „neuen“ Stadt Stadtlohn zahlreiche Großprojekte umgesetzt: Die Einweihung der Stadthalle (1970), der Bau der neuen Dreifach-Sporthalle an der Burgstraße (1970), der Bau der Losbergschule (1972), die Eröffnung des Losbergstadions (1973) und die Inbetriebnahme des Hallenbades (1973) gehörten dazu, ebenso wie der Umbau der ehemaligen Amtsverwaltung zum Jugendheim HoT. 1976 wurde in Stadtlohn-Hundewick ein Wasserwerk errichtet, das die Versorgung von Stadtlohn, Vreden und Südlohn sicherte. Schließlich erhielt Stadtlohn 1979 am Steinkamp eine moderne Feuer- und Rettungswache. Als besonderer Anziehungspunkt entstand 1979 das Naherholungsgebiet Losbergpark mit seinen verschiedenen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.
Ende 1975 wurden die freundschaftlichen Kontakte, die aus einem mehrjährigen Euregio-Jugendaustausch mit der niederländischen Gemeinde Weerselo erwachsen waren, durch eine offizielle Städtepartnerschaft besiegelt. 1983 folgte eine Partnerschaft mit der italienischen Stadt San Vito al Tagliamento. Sie war aus regelmäßigen Treffen von Chören, dem Schützenverein St. Georgius und von Jugendgruppen mit italienischen Gruppen erwachsen, die der Besitzer einer italienischen Eisdiele in Stadtlohn vermittelt hatte. Schließlich entwickelten sich nach dem Fall der Berliner Mauer besonders enge Beziehungen zur ostdeutschen Gemeinde Altlandsberg.
Im September 1984 erhielt die Innenstadt nach einer mehrjährigen Planungsphase durch eine neue Pflasterung und durch die Umgestaltung zur verkehrsberuhigten Zone ein neues Gesicht. Ziel war es, die Attraktivität des Stadtzentrums als Einkaufszone zu steigern und die Wohnqualität zu verbessern. Die Förderung Stadtlohns als Einkaufsstadt haben seit Jahren auch besondere Einkaufstage zum Ziel, wie der „Stadtlohner Frühling“ (erstmals 1978), der „Kiepenkerlsonntag“ (1981), „Stadtlohner Herbst“ (1995) und „Stadtlohn blüht…“ (2004). Dazu wird seit 1978 der Weihnachtsmarkt veranstaltet, der seit 1999 durch das Eislaufvergnügen „Fun on Ice“ ein besonderes Markenzeichen besitzt.
1989 erwarb die Stadt Stadtlohn mit dem Haus Hakenfort in der Dufkampstraße das älteste Bürgerhaus Stadtlohns aus dem Jahre 1808 und weihte es 1991 nach umfassender Renovierung als Kultur- und Begegnungsstätte ein. Es wird seitdem von vielen Vereinen, Verbänden und Einrichtungen Versammlungen, Tagungen, Ausstellungen und Konzerte genutzt.
Mit der Gründung eines Gymnasiums im Jahre 1995 konnte ein lange verfolgtes Projekt realisiert und eine Lücke in Stadtlohns Schullandschaft geschlossen werden. Nach einigen Aufbaujahren im Anna-Stift bezog die Schule im Jahre 2000 die neuen Räumlichkeiten im Bereich der früheren Owweringschule. 2004 konnte das Geschwister-Scholl-Gymnasium seinen ersten Abiturjahrgang verabschieden.
Im gewerblichen Sektor hatte Stadtlohn in der Nachkriegszeit einen umfassenden Strukturwandel zu meistern. Mehrere traditionsreiche Betriebe der Textilindustrie schlossen ihre Tore. Mehr als ausgeglichen wurde der Verlust an Arbeitsplätzen allerdings durch das gleichzeitige Wachstum von Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie, der Metallverarbeitung und des Fahrzeugbaus. Außergewöhnliche Erfolgsgeschichten schrieben dabei die hülsta-werke, Hüls GmbH & Co. KG, die sich zu Deutschlands bekanntester Möbelmarke entwickelten, und die Firma Lichtgitter GmbH, heute mit Standorten in mehreren Ländern der bedeutendste Hersteller von Gitterrosten in Europa. Beide Unternehmensgruppen blieben während ihrer jahrzehntelangen Entwicklung von kleinsten Anfängen bis zur heutigen Größe eng mit Stadtlohn verbunden, besitzen hier ihre Firmenleitungen und wichtigsten Produktionsstätten. Neben den beiden Großbetrieben gibt es zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe der unterschiedlichsten Branchen, die z. T. ebenfalls weltweit tätig sind.. Stadtlohn gehört damit zu einer der wirtschaftlich stärksten Kommunen des Kreises Borken.
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte war durch große Investitionen im Bereich des Bildungswesens, der Ver- und Entsorgung, im kulturellen Sektor, in Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie in der Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete gekennzeichnet. Stadtlohn wurde als Mittelzentrum zu einem Ort mit großem Wohn- und Freizeitwert ausgebaut. Das kontinuierliche Wachstum der Einwohnerzahlen unterstreicht diese positive Entwicklung: 1950 = 10 492 (6 710 Stadt und 3 782 Kirchspiel), 1960 = 12 612 (8 543 und 4 071), 1970 = 15 927, 1980 = 17 289, 1990 = 17 818, 2000 = 20 206, 2014 = 20 545.
Trotz der vielfältigen und tiefgreifenden Veränderungen hat Stadtlohn seine Eigenart bewahrt. Tradition und Brauchtum werden in der Stadt groß geschrieben und durch Vereine wie den Stadtlohner Heimatverein, die zehn Schützenvereine der Stadt und ihrer Bauerschaften, die Karnevalsgesellschaft „Üm Bütt un Pütt“ aber auch durch die zahlreichen Nachbarschaften gepflegt. Über 100 Vereine in den Bereichen Sport, Kultur, Natur, Kirche und Sozialarbeit zeugen von einem überaus großen Engagement der Menschen, von ihrer Geselligkeit und einem lebendigen Miteinander.